Märchen / Fairytales

MÄRCHEN / FAIRY TALES

Durch ihre Bilder, in denen auch klassische Märcheningredienzien wie Fliegenpilze, Waldlichtungen, Spinnräder, Bären und Rehe auftauchen, verabschiedet Behrend das Realitätsprinzip der Fotografie auf originelle Weise: Nichts ist nur was es scheint, die Fotografie ist zwar eine Spur des Dagewesenen, zugleich eröffnet sich ein Spiel mit Gesten und Erinnerungen weit über das hinaus, was vor der Kamera zu sehen war. Und all das geschieht ohne pompöse Inszenierungen, im Vertrauen auf ein Erinnerungsvermögen, das nicht nur im kindlichen Repertoire abrufbar ist. Es appelliert an Erfahrung, die beim Betrachten der Bilder körperlich spürbar wird: das Gefühl kopfüber zu hängen, während man sicher gehalten wird, Unbehagen beim Durchstreifen dichten Gebüschs, der Geschmack der Walderdbeeren, die direkt neben gefährlichen Fliegenpilzen zu sehen sind, alles kann Anlass für Geschichten werden, die sich an Details entspinnen. Leitmotivisch scheint das mit dem ersten Bild eingeleitet zu werden, der älteren Dame mit dem kleinen Mädchen am Spinnrad,

Die Magie der Bilder entsteht durch dieses Beiläufige, fast wie im Gehen Gemachte, bei dem mit jedem Schritt Geheimnisse entdeckt und, in einer gewissen Komplizenschaft mit dem Betrachter, gewahrt werden. Vielleicht kann aus Stroh ja tatsächlich Gold gesponnen werden, ganz so wirkt es jedenfalls auf Behrends Bildern, angesichts deren man sich bei der Überlegung ertappt, ob man nicht versuchsweise einen Frosch an die Wand werfen sollte. Keine schlechte Idee auch, noch mal rote Glitzerschuhe überzustreifen, auf etwaige Zeichen zu achten und die Erinnerung an Heimlichkeiten und Gefahren, Abenteuer und Erlösung zu bewahren. In den Fotografien ist diese Erinnerung aufgehoben und will nicht entzaubert werden.

Kerstin Stremmel

 

Slime & Prinzessinnen, Museum für Photographie Braunschweig, zusammen mit Käthe Buchler, 2021
Eichelhäher & Mädchen mit Plastikbecher, Museum für Photographie Braunschweig, 2021