Bauten und Figuren
Bauten und Figuren
Unablässiges Verschwinden, halb mit Wachstum vermischt, lässt die Orte und Dinge unwirklich erscheinen.
Eine Berührung des Unwirklichen ist stärker als jede Wirklichkeit. Man muss sie jedoch sehen können.
Aus verschlafener Unordnung ausgeschnitten, werden sie sichtbar durch die Betrachtung:
Fordernde Orte und Dinge, Peripherie und Osteuropa, Miniwunderland und Kinderkarussell.
Es wird nicht mehr so sein wenn ich gegangen bin.
Ute Behrend
© Maik Schlüter 2018
Ute Behrend – Bauten und Figuren
In dieser Arbeit zwingt Ute Behrend die Wirklichkeit in ein Konzept aus zwei zueinander gehörenden Bildern. Aber die Zugehörigkeit der Bilder und Räume ist reine Fiktion, die Linie, die sich in einem Bild findet und die sich im Nächsten fortsetzt, ist eine formale Setzung der Fotografin. Wie eine Forensikerin setzt sie die Welt, den Tatort, neu zusammen, um in den Puzzlestücken einen Sinn zu finden. Einige Teile passen scheinbar nahtlos zusammen, liegen aber räumlich und zeitlich weit auseinander. Dann wieder täuschen visuelle Analogien eine funktionelle Nähe und einen schlüssigen Kontext vor, obwohl beides nicht besteht. Alles erscheint als (verborgenes) Zeichen oder Hinweis, als logischer nächster Schritt, bei der Aufdeckung einer ansonsten nicht sichtbaren Ordnung. Dennoch vervollständigt sich das Bild nie. Ihr fotografisches Spektrum besteht aus lakonischen Ortsbeschreibungen, abstrakten Setzungen, die mitunter grafische Qualitäten betonen, genauso wie aus situativen Spannungsmomenten.
Aber auch die Relation zwischen der tatsächlichen Größe eines Objektes, seiner zweidimensionalen Darstellung auf einer Fotografie und dem, was wir als Betrachter dann darin sehen, ist ein zentrales Thema dieser Arbeit. Unter dem Deckmantel einer vermeintlich realistischen Darstellung schiebt sie den Betrachtern auch Bilder von Modellen unter. Für die Rezeption eines Bildes ist es letztlich nicht wichtig, ob es sich um reale Architekturen oder um Modelle handelt: Die Wirklichkeit einer Fotografie ist ohnehin eine autonome, auch wenn sie notwendigerweise immer mit irgendeiner Realität verbunden ist. Denn auf Bildebene kann alles real wirken: Pappmodelle erscheinen dann als echte Parkhäuser, Landschaften, Stadtansichten und Interieurs sehen wie Miniaturen aus und selbst absurde Materialcollagen können dem Auge so präsentiert werden, dass wir urbane Szenen und Architekturen darin erkennen. Bei Ute Behrend ist der Unterschied noch unterschwelliger, fast oder gar nicht erkennbar. Auch hier zeigt sich die Doppelbödigkeit der Welt und ihrer Abbilder. Raumgefüge und Projektion werden zu einer Spirale der Relativität.
Bei Ute Behrend tauchen Farben und Formen, Natur und Kultur, Zerstörung und Schönheit gleichberechtigt auf. Beständigkeit und Veränderung gehen in ihrer Arbeit Hand in Hand. Alles geschieht auf dem dünnen Eis der Wirklichkeitserfahrung. Wirkt ihre Bildsprache auf den ersten Blick klar und direkt, so verbergen sich in dem vermeintlich universellen Vokabular viele Geheimnisse und trügerische visuelle Abgründe.
Maik Schlüter