Cars & Cows
Cars and Cows
Beim Reisen durch die Vereinigten Staaten, begegnet man immer wieder alten Autos, von denen man unweigerlich annimmt, dass sie wohl einmal schön gewesen sein müssen. Manche von ihnen sind nur noch Wracks und verrosten in vertrockneten Vorgärten. Andere werden liebevoll gepflegt. In ihrer Abgestelltheit erzählen sie von einer vermeintlich idealen Vergangenheit. Trotz der nostalgischen Schönheit haben die Kaputtesten auch etwas Dystopisches an sich. Als sei die Menschheit nach einer Katastrophe verschwunden und ihre Hinterlassenschaften nun für immer dem Verfall ausgeliefert. Und nur wir, als letzte Überlebende, könnten uns angesichts dieses analogen Schrotts eine Vorstellung davon machen, wie es vielleicht einmal gewesen sein mag.
Auch Kühen, diesen lebendigen und faszinierenden Wesen, begegnet man häufig. Schaut man sie an, schauen sie meist interessiert zurück. So, als ob sie überlegten, ob wir für sie nützlich sein könnten. Mit ihrer vermeintlichen Arglosigkeit erregen sie mein Mitleid und ich habe ein schlechtes Gewissen, denke ich doch sofort an Massentierhaltung und Kälber, die nicht bei ihren Müttern sein dürfen, damit wir Milch trinken und Fleisch und Käse essen können.
Immer wieder trifft man auf seltene und wunderschöne Rinderrassen. Die ersten Rinder, die von Europäer*innen nach Amerika gebracht wurden, waren Longhorns. Diese sind irgendwann durch ein wirtschaftliches Raster gefallen und werden nun von Naturschützer*innen und Liebhaber*innen gehalten, damit sie nicht ganz verschwinden. Ein bisschen wie die Autos, deren Unterhalt sich auch nicht mehr lohnt, da sie zu viel Benzin verbrauchen und zu reparaturanfällig geworden sind.
Denkt man weiter darüber nach, stellt man fest, dass es noch mehr Gemeinsamkeiten gibt. Autos wie Kühe sind mit Nummernschildern und Markenzeichen versehen, und beide produzieren während ihrer Lebensdauer erhebliche Mengen an klimaschädlichen Gasen, welche in die Atmosphäre abgegeben werden. Eine Kuh bringt es im Jahr auf 100 Kilogramm Methan, was einem CO2-Ausstoß von 18.000 gefahrenen Autokilometern entspricht. Das Besitzen und Fahren von Autos sowie das Halten und Verzehren von Rindern wird sowohl gesundheitlich als auch moralisch immer bedenklicher. Aber es scheint schwer zu sein, sich davon zu lösen.
Unsere emotionale Verbundenheit mit den liebenswerten Kühen und den alten Autos kommt aus der gleichen Zeit: Einer Ära, in der man ohne schlechtes Gewissen von sozialem Aufstieg und dem damit verbundenen Besitz träumen konnte. Dem amerikanischen Traum, dessen Tentakel uns mit romantisierender Vergangenheit vielleicht noch sehr lange verfolgen werden.
Ute Behrend