Presse / Texte / Rezensionen

Double Dialoges im Museum für Photografie in Braunscheig

Double Dialoges im Museum für Photografie in Braunscheig

von Anna Gripp, Photonews, anläßlich der Ausstellung, im August 2021

Identitätspolitik ist zu einer Art Kampfbegriff ¬aktueller Debatten geworden, da könnte man sich wünschen, dass die verhärteten Fronten mit visuellen Kommentaren von Ute Behrend aufgelockert werden. Die Bilder der 1961 geb. Fotografin hinterfragen Klischees, Identitäten und Rollenbilder, kommen aber mit einer spielerischen Leichtigkeit daher. Oft bleibt unklar, was hier inszeniert und was so der Realität entnommen wurde. Es sind Bilder mit Widerhaken, aber vor allem mit Poesie und Humor.

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Bärenmädchen | Bear Girls – Monika Osberghaus

Bärenmädchen | Bear Girls

von Monika Osberghaus, Verlegerin, Klett Kinderbuch Verlag

Es gab mal eine Zeit, da haben alle John Irving gelesen, und es ging los mit dem „Hotel New Hampshire“. Sehr speziell darin, erinnert ihr euch: Suzie der Bär. Suzie, das Mädchen, das vergewaltigt wurde und seitdem in einem Bärenkostüm lebt. Und das eine sehr eigene, draufgängerische und zugleich spröde Art von Sexualität hat. Der Ich-Erzähler bei Irving ist fasziniert von ihr, ich war es auch. Und Ute Behrend auch.

Irgendetwas ist dran an der Verbindung Bär + Mädchen, etliche Urbilder und Märchen fallen einem dazu ein. Die Fotografin Ute Behrend versucht dieser Verbindung auf die Spur zu kommen, Suzie der Bär hat sie (unter anderem) drauf gebracht. Und sie definiert sie neu. Ihr Bildband ist zum Staunen. Dass man Mädchen auf der Schwelle zum Frau-Sein so fotografieren kann!

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Bärenmädchen | Bear Girls

Bärenmädchen | Bear Girls

Ute Behrend im Gespräch mit Barbara Hofmann-Johnson

Innerhalb ihrer künstlerischen Arbeit mit dem Medium Fotografie und Film lotet Ute Behrend mit atmosphärisch wie ästhetisch subtilem Gefühl für poetische und formale Zusammenhänge eigene Erzählwelten aus. Einem bildnerischen Konzept folgend, bei dem stets zwei Bilder aus unterschiedlichen Wirklichkeits- und bisweilen auch inszenierten Zusammenhängen narrativ einander zugeordnet werdenen,schaffen diese Bezüge zu Themen wie Portrait, Natur oder deuten auf reduzierte Weise kulturelle Referenzen an. In ihrer aktuellen Bildserie „Bärenmädchen“, die in dieser Publikation vorgestellt wird, behandelt die in Köln lebende Künstlerin in der ihr eigenen assoziativen Gestaltungsweise das Themenfeld weiblicher Adoleszenz. Als Gegenentwurf zu den durch Gesellschaft und Medien geprägten Stereotypen sexualisierter Identifikation bewegen sich die „Bärenmädchen“ von Ute Behrend in einem archetypisch an der Natur orientierten Umfeld und Schutzraum, der sie isoliert und dabei poetisch zeitlos im Vergleich zu den gängigen Mustern der Sozialisation erscheinen lässt. In einem Gespräch beschreibt sie ihre neue Werkgruppe.

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Christoph Ribbat Eins ist die einsamste Nummer

Christoph Ribbat
Eins ist die einsamste Nummer

»In der Fotografie«, sagt Jeff Wall, trete »die wortlose, anonyme Poesie der Welt zuerst, ja wahrscheinlich zum allerersten Mal zu Tage.« Ihre Schönheit wurzle »in der großen Collage, als die sich das tägliche Leben darstellt: jene[r] Kombination völlig konkreter und spezifischer Dinge, die, von allen und niemandem geschaffen, greifbar werden, sobald sie sich zu einem Bild fügen.«1

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Freilaufende Bilderherden

Göran Gnaudschun
Freilaufende Bilderherden
2013, Mrz 28th

Nichts ist so einfach wie es scheint.

Ein junges Mädchen sitzt rittlings auf einem jungen Mann. Ihre DocMartens und die karierte Hose lassen auf einen subkulturellen Hintergrund schließen. Wir befinden uns am Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts. Der Müll auf der zertretenen Wiese gehörte scheinbar Open-Air Besuchern, die sich schnell von Überflüssigem entledigen wollten. Die Finger des Mädchens drücken den Rücken des jungen Mannes mit dem schwarzgefärbten vollen Haar an sich. Es ist kalt, jedenfalls lugen auch aus ihrem anderen Ärmel nur die Finger, die den Schulterbereich umschließen. Weißgeblitzt hell scheint uns der Schriftzug „simple.“ entgegen, den der junge Mann auf dem Rücken trägt.

Bei Ute Behrend haben Kinder oft etwas in der Hand.

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… nichts als des Schrecklichen Anfang / Dr. Kerstin Stremmel

… nichts als des Schrecklichen Anfang

Dr. Kerstin Stremmel
Zimmerpflanzen von Ute Behrend

Der Titel von Ute Behrends Werkgruppe und ihrem gleichnamigen Buch könnte eine Anleitung zur sorgsamen Begrünung der Lebenswelt sein, ein Kompendium für üppig Blühendes. Zimmerpflanzen lassen sich, auch wenn die Zeiten der Orangerien vorbei sind, durchaus unter soziologischen Aspekten betrachten, selbst in Gartenfibeln ist davon die Rede, dass in den 1980er und 1990er Jahren angesichts der zunehmenden Umweltzer­störung die Innenraumbegrünung immer stärker in das Interesse rückte. Eine Flucht­bewegung wird also, möglicherweise, angedeutet. Sie scheint selten zu gelingen, die Untertöne stimmen skeptisch, eine Geigenfeige wirkt ähnlich aggressiv wie der Rottweiler auf dem Bild nebenan, der Umgang mit den Pflanzen ist nicht immer liebevoll, sondern erzählt von Ver­nach­lässigung (vertrocknete Palme) oder heilloser Geschmacks­verirrung (Chrysanthemen): Mitsamt ihren kleinen Plastiktöpfen wurden diese Blumen so in Hydrokulturen versenkt, dass sie wie Ertrinkende wirken.

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Peter V. Brinkemper / Small Silent City

Peter V. Brinkemper
Ute Behrend: Small Silent City

Fotografie sei nicht im Stande zu erzählen, so lautet ein landläufiges Vorurteil. Das bildliche Medium, zumal das unbewegte Einzelbild füge einem Text, einer gedruckten Information, Analyse oder einer Geschichte keine weitere Dimension hinzu, es könne sie allenfalls illustrieren. Andere behaupten dagegen, dass sich wahre, aber auch inszenierte und fiktive Begebenheiten, Geschichten und Erzählungen sehr wohl in prägnante Momente verdichten, in plastische Szenen und übertragene, poetische Bilder, die von sich aus bereits zur Visualisierung tendieren.

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